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Das Reisetagebuch

Tag 16 - Freitag


Zeltplatz in Regen und NebelIn "Asterix bei den Briten" erklärt der britische Freund den beiden Helden, dass in Britannien nur dann Nebel ist, wenn es nicht regnet (oder so ähnlich). Das stimmt nicht! Heute beträgt die Sichtweite gerade mal 100 Meter und es regnet! Es gibt nur wenig Wind, das bisschen bevorzugt allerdings jede Richtung, die geeignet ist, meinen Spirituskocher auszublasen. Aber ohne Kaffee fahre ich hier nicht weg und deshalb bitte ich die Reisetaschen um Windschutz, was die auch willig tun.

Das Zelt muss ich nass einpacken, desgleichen die Handtücher. Letztere sind schon seit drei Tagen ein Problem: wie bekomme ich sie wieder trocken? In der Eifel habe ich das kleine Handtuch probehalber an den Schlafsack gebunden, dort hat es allerdings die Abgassschleppe des Rollers eingefangen, ich musste es waschen. Danach kam es nach vorn zum Rucksack, dort trocknet es eigentlich gut, allerdings nicht so gut bei Regen.

Das Problem mit der Karte bleibt: wo sind die Durchgangsstraßen? In der Gegend von Guildford (südwestlich London) nimmt die Bebauungsdichte stark zu, die Wege sind noch schwerer zu finden. Deswegen entschließe ich mich, eine Art Autobahn in Richtung Nordwesten zu nehmen. Das klappt auch ganz gut, aber auf der Autobahn kann ich nicht anhalten, um die Karte zu lesen. Das MicrosoftcampusErgebnis: ich lande in Reading an einem Kreisverkehr, aus dem es nur eine weitere Straße heraus gibt. Dort steht aber ein Schild "Microsoft Campus" und weil ich zu Hause auf meinem Computer Linux als Betriebssystem benutze und jetzt auch den kleinen Pinguin am Jackenreviers trage, drehe ich lieber sofort um und fahre wieder zurück zur letzten Abfahrt. Von dort finde ich nach Fragen ( die Menschen hier verstehen nicht nur Englisch, sie sprechen es auch) die Hauptstraße nach Norden.

Alte Entfernungssäule in Dunchurch bei RugbyIch habe inzwischen durch die dauernde Kartenkuckerei soviel Zeit verloren, dass ich in Banbury auf die Bundesstraße (A-Road) fahre. Und dort bleibe ich mit Vollgas bis Rugby. Hinter mir fährt ein Wohnwagengespann, das mich nicht überholen kann, dahinter ein älteres Paar, das nicht überholen will und die dahinter können nicht uns drei überholen und so überholt keiner und alle bleiben die nächsten 25 Meilen brav hinter einem alten Motorscooter - so ist das Fahren für mich völlig ungefährlich. Auf den Motor höre ich inzwischen nicht mehr, der Roller hat mein vollstes Vertrauen, so gut wie der läuft ....

In Rugby muss ich die Nebenstraße nach Swinford finden, aber auf den letzten Drücker schwindet der letzte Rest von Sonne und ich kann die Himmelsrichtung dorthin nicht mehr bestimmen. Deshalb frage ich in einem Tante-Emma-Laden. Die alte Frau dort erklärt mir den Weg (ich bin schon nah dran) und schärft mir drei- bis fünfmal dringend ein, beim Überqueren der A5 (die vielbefahrene Bundesstraße, eine Autobahn ist eine M-Road) ja äußerst vorsichtig zu sein, denn "they drive like crazy". Ich bin ziemlich sicher, sie meint die englischen Autofahrer. Ich bin nicht lebensmüde und überquere die A5 mit größter Vorsicht, denn die Frau hat recht.

Zehn Minuten später bin ich an Stanford Hall und erblicke dort im "Vorgarten" (ca. 10 ha) eine Zeltstadt. Allerdings sehen die Zelte etwas veraltet aus und die zugehörigen Bewohner laufen mit sehr altmodischen "Klamotten" rum. Sie tragen zum überwiegenden Teil Waffen der zweitältesteten Sorte, wozu auch die Kanonen gehören, die zwischen den Zelten stehen. Eine Bella aber sehe ich dort nicht. Sofort kontrolliere ich all meine Unterlagen aber ich bin am richtigen Ort. Wo also ist das Bellatreffen?

Ich befrage als erstes die altmodischen Leute, die allerdings ein ganz modernes Englisch sprechen und mir in eben dieser Sprache erzählen, was sie hier machen: sie gehören zur "American Civil War Society" und gedenken an diesem Wochenende an eben diesen Krieg - mit Kriegspielen versteht sich ( Battle Sunday at 3.00 PM). Von einem Bellatreffen weiß keiner was, ich möge doch bitte am Haus nachschauen. Ich mache das und entdecke neben dem Wirtschaftsgebäude eine frisch gemähte Grasfläche mit einem Dixiklo darauf. Hier könnte es stattfinden. Aber immer noch keine Bella - außer meiner natürlich.

Jetzt rufe ich den Cheforganisator des Treffens Brian Crook an. Aber der hat einen Anrufbeantworter und mit dem unterhalte ich mich nicht. Ich beschließe, noch ein wenig zu warten und dann nochmal anzurufen. Die Zeit vertreibe ich mir, indem ich ein wenig in der Umgebung des Herrschaftssitzes rumkurve und mir die Gegend ansehe, wobei ich drauf achte, ob irgendwo nicht doch ein kleines Stück Bellablech zu sehen ist. Als ich wieder in den "Vorgarten" einbiege, halten mich die Bürgerkriegsfreunde an und laden mich ein, ihr Gast zu sein. Ich habe aber inzwischen auch ihre alten Musikinstrumente und die Alkoholvorräte entdeckt und lehne deshalb dankend ab - ich möchte mal wieder eine ruhige Nacht verbringen.

Zeltplatz an der Stanford HallDas Telefon klingelt, Brian Crook ist dran, gut, dass ich meine Nummer nicht unterdrückt habe. Er ist über mich im Bilde (habe ihm vor der Tour geschrieben, dass ich versuchen werde, zu kommen) und klärt mich auf, dass das englische Treffen im Gegensatz zu den deutschen nicht am Freitagabend beginnt, sondern erst am Samstagmorgen. Ich soll aber einfach mein Zelt dort aufbauen (dort, wo das Mobilklo steht), wir treffen uns dann morgen früh, er freut sich schon, mich zu sehen. Alles klar, ich baue auf, was heute nicht so einfach ist, weil der Wind mit Stärke 6 über die Wiese fegt.
Abendbild
Mein Verdacht, dass es bei den Kriegsfreunden infolge von Alkohol etwas lauter werden könnte in dieser Nacht, bestätigt sich - gut, dass ich die Einladung nicht angenommen habe und einen halben Kilometer entfernt kampiere.


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