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Das Reisetagebuch

Tag 20 - Dienstag


Ich wache einfach so auf, die Nacht war ruhig und ich habe trotz des Regens gut geschlafen. Die Sonne scheint, ich habe mal wieder richtigrum aufgebaut: der Zelteingang zeigt zur Sonne und der Roller steht - wie immer - davor. Ein Blick in die andere Richtung - die Wetterrichtung - zeigt - wie immer - drohende dunkle Wolken. Ich warte erstmal ab und koche Kaffee. Der, den ich gestern gekauft habe, schmeckt sehr gut. Komischerweise ist er nicht vakuumverpackt. Es gibt ihn hier in 5 Stärken, jeweils mit Nummern und verschiedenen Farben gekennzeichnet, meiner ist "medium strong", Stärke 4.

Als ich um 11 fast trocken reisefertig bin, fängt es an zu regnen. Ich nehme meine drei Gepäckstücke wieder vom Roller ab, verziehe mich damit in die überdachte Abwaschecke und schalte das Radio ein, um womöglich einen Wetterbericht zu erwischen. Ich bekomme auch einen, aber der verheißt nichts Gutes, zumindest nicht für die Gegend, für die die Aussichten gesendet werden und die Gegend habe ich nicht mitgehört. Da ist von Katzen und Hunden die Rede und von einigen Überschwemmungen und Gewitter sollen auch dabei sein, verbunden mit heftigen Windböen.
WolkenbruchBei mir kommt nach 20 Minuten die Sonne wieder hervor, ich binde sofort das Gepäck an den Roller und mache mich auf den Weg nach Edinburgh durch die Southern Uplands. 3 Meilen weiter bin ich um den Berg herum und vor mir baut sich eine schreckliche Regenfront auf. Nicht viel weiter steht eine alte dicke, dichtbelaubte Kastanie am Weg und dort stelle ich mich so schnell es geht mit dem Roller unter. "Unter" geht dann aber auch sofort die Welt, Noah hätte seine helle Freude gehabt, es prasselt nicht nur Katzen und Wolkenbruch Hunde, sondern auch Kühe, Pferde und Elefanten. nach 5 Minuten ziehe ich die blauen Müllsäcke hervor und decke mein Gepäck damit ab, nach weiteren 5 Minuten bin ich klatschnass und kann direkt vor mir die Entstehung von reißenden Strömen erleben.. "Danke" an den Erfinder von GoreTex! (Meine Schuhe sind glücklicherweise auch damit ausgerüstet.)

Eine geschlagene Stunde stehe ich so unter der Kastanie, jetzt kommt die Sonne wieder zum Vorschein, der Regen braucht allerdings noch 5 Minuten, um sich zu verziehen. Ich fahre weiter. Pause mit Kuh Die folgende Fahrt entschädigt mich für alles: die Sonne scheint und eine Stunde später ist der Parka wieder trocken. Die Straße ist gut und verläuft genau so schön wie gestern, die Sicht nach dem Regen ist ausgezeichnet, den Roller stört eh' nichts und wir beide stören nur die Schafe auf der Straße. Hier kann man auch mit einem 100 PS-Motorrad nicht schneller fahren, als ich, denn die Tiere sind unberechenbar: es steht nicht fest, ob sie sich bewegen, wenn man vorbeifährt und wenn doch, ob sie sich nach links bewegen, wenn sie auf der linken Straßenseite stehen oder doch lieber nach rechts über die Straße und umgekehrt. Die Schafe habe ich nicht gezählt, aber die Fahrzeuge, die ich gesehen habe: ich bin bis "1" gekommen, ein Auto, dessen Fahrer mich vorbeigewunken hat.

Landschaft bei Eskdalemuir Auf der Karte sind einige Dörfer am Weg eingezeichnet, doch diese "Dörfer" entpuppten sich als einzelne verstreute Höfe, kein geschlossenes Dorfbild, mithin auch kein Laden und schon gar keine Tankstelle. Die brauche ich jetzt bald, denn ich bin schon 220 Kilometer gefahren. Aber die Straße, die ich mir ausgesucht habe, kreuzt das Tal des Yarrow Water und an dem Bach verläuft eine A-Road entlang. Am Kreuzungspunkt liegt das Dorf Mountbenger, ich kann es als Häuseransammlung von weitem erkennen, dort muss es eine Tankstelle geben. Ich lasse den Roller beim Bergabfahren im Standgas laufen, um Sprit zu sparen und komme so in den "Ort". Dort an der Kreuzung steht ein Inn mit Tischen und Stühlen an der Straße und einer Zapfsäule auf der anderen Straßenseite. Neben den Tischen stehen drei moderne Motorräder mit deutschen Kennzeichen, die entsprechende Besatzungen - drei Paare in meinem Alter - sitzen an den Tischen bei Kaffee und Kuchen und einer begrüsst mich, bevor ich noch "Moin" sagen kann mit den Worten "Schau an, eine Zündapp Bella". Ich bin sprachlos ...

ZapfsäuleDie "Zapfsäule" entpuppt sich als Werbeträger ohne Funktion seit "long time ago". Aber der Fahrer der Goldwing kann mir helfen: er geht zu seinem "Schiff", zieht lässig einen Stift aus der Brusttasche und tippt kurz auf dem Navigationsgerät herum. "Hier lang nach Innerleithen, das sind nur 9 Meilen, dort links abbiegen, da sind zwei Tankstellen. Und wenn Du mit dem Sprit nicht hinkommst, wir fahren da auch bald hin, dann gabeln wir Dich auf." Ich komme hin! (Es war noch genau ein halbes Wasserglas Benzin im Tank.)

"Pass" vor EdinburghKurz hinter Innerleithen kommen mir in einer unübersichtlichen Rechtskurve 2 alte Motorräder entgegen, allerdings auf meiner Straßenseite. Wir können einen Unfall gerade noch vermeiden und als mein Roller steht, drehe ich mich um und sehe noch 2 deutsche Kennzeichen verschwinden. Schade, ich hätte mich gern mit den beiden unterhalten. Nicht über den Vorfall, das kann passieren, wenn man als Rechtsfahren-Gewöhnter auf solch einsamen Straßen unterwegs ist.

Eine Brücke auf dem Weg wird gerade renoviert, die entsprechende Straße ist gesperrt. Aber weil ich gern da lang fahren möchte, suche ich nach Lücken. Doch der Weg für Füßganger und Radfahrer ist für den bepackten Roller 10 Zentimeter zu schmal und die Furt (für die Baumaschinen) ist mit Ketten verschlossen. Deshalb muss ich einen Umweg fahren und komme etwas später aber dafür im Regen an der Stadtgrenze von Edinburgh an. Ein Campingplatz ist auch schnell gefunden, aber der liegt an der Hauptstraße unter einem Eisenbahnviadukt und ist mir zu laut. Außerdem ist auf der Karte eine Campingsite eingemalt, die fast unmittelbar am Forth liegen soll - allerdings auf der anderen Seite der Stadt. Aber da muss ich ja sowieso irgendwann hin und weil es früh am Tag ist und der Regen nach einer halben Stunde wieder aufhört, fahre ich dorthin.

Edinburgh-GoogleEarthIch habe keine Lust, bei miesem Wetter durch eine mir unbekannte Stadt zu kreuzen, und benutze den Autobahnring. Großer Fehler: die Autobahn kenne ich nämlich auch nicht und sie ist im Westen am Flughafen ziemlich heftig verschnörkelt. So fahre ich den Schildern "Forth Road Bridge" nach und das sind sicher 20 Meilen mehr, als ich vorgehabt habe. Ich lande tatsächlich an der Brücke und muss von dort aus wieder zurück an den Nordrand der Stadt in den Stadtteil Cramond. Die Sonne scheint zwar nicht, aber die Berge, die Edinburgh im Süden abschließen, sind von überall zu sehen und deshalb eine gute , wenn auch grobe Orientierungsmarke. Ich finde den Platz, die Frage nach Lauriston Castle hilft dabei.

Tor des Edinburgh-Caravan-Club10"The Caravan Club Site Edinburgh" ist ein großer Platz, hauptsächlich für Wohnmobile und Wohnwagen, aber eine Ecke für Zelte gibt es auch. Letzterer ist so nass, dass ich den Roller nicht vor das Zelt stellen kann, er muss auf dem Parkplatz bleiben. Es gibt aber - welch ein Luxus - einen glasüberdachten Platz zum Essen mit Edelstahltischen zum Kochen und Holztischen und Bänken zum Essen. Super! Leider fegt der Wind so um die Glaskanten, dass ich mit Mühe den Kocher in Gang halten kann.
Roller alleinIm Prinzip gehört der Platz zu den ruhigsten überhaupt, weil keine Hauptstraße auch nur in der Nähe ist. Aber findige Leute haben herausgefunden, wie man das ändern kann und so wurde extra der "International Airport Edinburgh" gebaut und zwar genau so, dass die Einflugschneise über den Platz hinwegführt. Heute habe wir Glück: der Wind kommt von Westen und deshalb kommen nur die landenden Flugzeuge über uns entlang, die sind viel leiser, als die startenden.

Während ich dort mein Abendbrot esse, versuche ich, trotz der Flugzeuge Radio zu hören und wieder ist was von Wolkenbrüchen in England zu hören und von Überschwemmungen. Trinkwasserreservoirs sind dadurch verdreckt worden, Trinkwasser wird knapp, Strommasten sollen umgefallen sein und ähnliches. Alles in allem: Katastrophe hoch drei. Und ich war gerade noch dort...
Zeltplatz Edinburgh
22 Uhr: ich habe es mir gerade im Schlafsack gemütlich gemacht, da höre ich von draußen Krach, ich denke mir, ich schau mal nach und da: es ist ein Trupp von 3 Dutzend französischer Jugendlicher, die gerade erst mit dem Zug angekommen sind. Sie bauen ihre Zelte auf und gegessen haben sie auch noch nicht. Dagegen sind die Flugzeuge lärmtechnisch gesehen ein Dreck ...


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